In immer mehr Lebensbereichen, die ursprünglich uns Menschen vorbehalten waren, haben inzwischen auch Maschinen und Algorithmen ihren Platz: U-Bahnen fahren automatisiert, Roboter spielen Tischtennis und immer mehr Texte werden von Algorithmen geschrieben. Was ist im Journalismus jetzt schon möglich? Was wird kommen? Und was bedeutet eine zunehmende Automatisierung für die Medienbildung?

Was gibt es schon?

Roboterjournalismus, automatisierter Journalismus oder auch algorithmischer Journalismus beschreibt Journalismus, bei dem Nachrichten nicht mehr von Menschen, sondern von Algorithmen geschrieben werden. Die Grundlage sind Daten, die der Algorithmus nach festgelegten Regeln und Grundsätzen zu einem lesbaren Text zusammensetzt. Verschiedene Firmen, in Deutschland beispielsweise AX Semantics und Retresco, bieten solche Dienste an – auch für Medienhäuser.
Bisher handelt es sich dabei vor allem um Nachrichten, deren Grundlage Fakten und Zahlen sind: Wetter, Sport und Börse. Diverse Zeitungen sollen zu den Kunden gehören. Laut einer Studie der Universität Oxford verwenden auch die meisten großen Nachrichtenagenturen in Europa automatisch generierte Texte.

Was wird kommen?

Foto: Urheber Arthur Caranta; Lizenz: CC BY-SA 2.0; Link.

Da sich die Technik ständig weiterentwickelt, werden Robotertexte herkömmlichen Texten in Sachen Lesbarkeit bald in nichts mehr nachstehen. Laut einer Studie der LMU München können Leserinnen und Leser schon jetzt kaum mehr unterscheiden, welche Texte von Menschen und welche von Robotern geschrieben wurden.
Es ist durchaus denkbar, dass automatisch hergestellte Nachrichten menschlichen Texten in der Zukunft in einigen Punkten sogar überlegen sein werden. So zeigt die Studie der LMU München auch, dass Robotertexte als glaubwürdiger eingestuft werden. Politische Berichterstattung, Meinungsartikel oder Hintergrundartikel – von Algorithmen geschrieben – sind kein abstraktes Zukunftsszenario mehr.
Möglich wird das durch künstliche Intelligenz: durch Programme, die über herkömmliche Algorithmen hinausgehen. Dabei wird einem solchen Programm eine ausreichend große Anzahl an Texten gegeben. Das Programm lernt auf dieser Grundlage selbstständig, eigene Texte zu verfassen.

Neue Möglichkeiten für den Journalismus

Roboterjournalismus wird oft im Zusammenhang mit Zukunftsängsten laut. Er kann jedoch auch viel Gutes mit sich bringen. Befürworter der neuen technischen Entwicklungen sagen voraus, dass durch Automatisierung mehr Zeit für Recherche und qualitativ hochwertige Texte bleibt. Algorithmen übernehmen eher standardisierte Aufgaben – wie das Verfassen des Wetterberichts oder das Durchsuchen von Datensätzen nach relevanten Informationen.
Auch eine Revolution des Lokaljournalismus ist denkbar – und technisch bereits umsetzbar. Leserinnen und Leser könnten personalisierte Nachrichten sekundenaktuell zugespielt bekommen, genau auf ihren Wohnort und ihre Interessen zugeschnitten: Welcher Supermarkt bietet heute welche Sonderangebote an, welche Strecke auf meinem Arbeitsweg ist gesperrt oder wann ist das nächste Schulkonzert geplant?

Der Beruf des Journalisten wird sich wandeln

All diese Entwicklungen bringen mit sich, dass sich der Beruf des Journalisten bzw. der Journalistin vermutlich verändern wird:

  1. Für Journalistinnen und Journalisten wird es zusätzlich zum journalistischen Handwerk immer wichtiger, Algorithmen zu verstehen.
  2. Auch Fragen nach der Qualität der zugrundeliegenden Daten spielen eine Rolle: Diese müssen auf ihre Gültigkeit und Genauigkeit hin geprüft werden, sonst ist auch der automatisch hergestellte Text fehlerbehaftet oder weist eine bestimmte Tendenz auf – beispielsweise zum Nachteil einer bestimmten gesellschaftlichen Gruppe.
  3. Mit einer Automatisierung des Journalismus gehen ethische Fragen einher, die neu aufgerollt werden müssen. Wer trägt die Verantwortung für die veröffentlichten Texte? Die Programmiererinnen und Programmierer des Codes? Die Firma, die die Texte herstellt? Die Herausgeber der Zeitung? Diejenigen, die die Daten bereitstellen? Oder etwa der Algorithmus selbst? Sollten Robotertexte entsprechend gekennzeichnet und transparent sein? Dies ist bisher nicht der Fall und verhindert, dass sich Leserinnen und Leser ein Bild über die Interessen der Urheber machen können.
  4. Herausgeber müssen sich auch die Frage stellen, wie sie Robotertexte einsetzten möchten: Sind sie lediglich ein Mittel, um Geld zu sparen oder sollen hierdurch mehr Kapazitäten für Qualität und Recherche frei werden?

Was bedeutet das für die Medienbildung?

Eine ähnliche Tendenz zeichnet sich auch für die Ausbildung der Medienkompetenz ab. Zusätzlich zu herkömmlichen Aspekten – was macht einen gut recherchierten Text aus, wie kann man Fake News identifizieren, wie funktioniert Programmieren – bringt Roboterjournalismus weitere Schwerpunkte für die Medienkompetenzausbildung mit sich:

  • Wie funktionieren Algorithmen?
  • Welche ethischen Fragen kommen durch Automatisierung auf?
  • Berichtet ein Algorithmus womöglich mit einer bestimmten Tendenz und wenn ja, wie kann ich das herausfinden?
  • Wie transparent sollten die zugrundeliegenden Codes sein?
  • Welche Rolle haben die Daten, die den Robotertexten zugrunde liegen? Wie kann ich sie überprüfen?
  • Wie werden Programme zur automatischen Textgenerierung verwendet? Wo kann ich das lernen?

Neben technischem Know-How sollten damit auch Fragen bezüglich der Medienethik und neuen Interessenskonflikten im Journalismus eine Rolle spielen. Da es sich bei Roboterjournalismus um ein neues Phänomen handelt, ist noch unklar, welche Richtung er einschlagen wird. Vor allem sollten wir deswegen herausfinden, wie sich Mensch und Maschine gegenseitig ergänzen können. Wo setzen wir Grenzen, wo geben wir Verantwortung ab?
Bisher existieren im Feld des Roboterjournalismus mehr Fragen als Antworten. Doch sicher ist: Automatisierung wird ein Teil der journalistischen Zukunft sein. Gemeinsam mit Kindern und Jugendlichen sollten wir diesen Prozess begleiten – um ihn mitzugestalten anstatt ihm nur zuzuschauen.

Text von Franziska Busse, medienclan.de-Trainerin